Sieben Jahre als Hundehalter – in Gedanken an Emma

Von Nina Hinz am 12.12.2022

Im August 2015 habe ich meinen ersten eigenen Hund adoptiert. Sieben Jahre, nachdem unser Familienhund nach schwerer Krebserkrankung erlöst worden war. Ich hatte immer das Bedürfnis, wieder einen Hund zu haben. Die damalige Situation hatte das aber nicht zugelassen. So bin ich zumindest mehrere Jahre in verschiedenen Tierheimen mit Hunden Gassi gegangen. Aber dann war es so weit: Der derzeitige Vermieter erlaubte die Hundehaltung. Ich hatte einen Partner, d.h. wir würden uns beide um das Tier kümmern können. Und ich konnte den Hund mit ins Büro nehmen!

Der Traum vom eigenen Hund – die Qual der Wahl

Die Qual der Wahl… alle Hunde sind so süß. Klein musste er sein. Für einen Welpen hatten wir aber zu wenig Zeit. Zu alt sollte das Tier auch nicht sein. So hatte ich die Internetseiten der verschiedenen Tierheime in der Umgebung durchforstet. Schnell hatten wir uns einen Hund ausgeschaut. Insgeheim hatte mich auch noch ein zweiter Hund angelacht. Im Tierheim mussten wir feststellen: Ein eher hyperaktives Tier würde nicht zu uns passen. Meine „zweite Wahl“ musste von der Tierpflegerin aus dem Körbchen getragen werden zum Spazierengehen. Die Pflegerin hat „Emma“ nicht damit nur zum Gassi getragen – sondern auch direkt in mein Herz. Erst bei der Adoption erfuhren wir, dass Emma ursprünglich aus Rumänien stammte und erst seit kurzem in Deutschland war. Eine Wundertüte also, offiziell 3 ½ Jahre alt. Auch wenn sie schon älter wirkte und aussah. 

Man unterschätzt den Aufwand

Obwohl ich über zehn Jahre einen Hund an meiner Seite hatte und Emma eine sehr genügsame und gemütliche Hündin war, musste ich schnell feststellen: Ich hatte die Verantwortung unterschätzt. Sei es, dem Hund gerecht zu werden, sei es, auf Dinge zu verzichten. Früher war ja die gesamte Familie da, um sich Pflichten zu teilen. Jetzt waren es „nur“ zwei Personen.

Und dann stand ich alleine da…

2017 hatte sich mein Leben einmal komplett um 180 Grad gedreht: Trennung vom Partner. Neue Wohnung. Mein Fernstudium irgendwie beendet. Die Insolvenz meines Arbeitgebers. Neuer Job. Die einzige Konstante: Emma. Es war ein Glücksfall für mich, dass mein Vater zu dieser Zeit die Möglichkeit hatte, Emma öfters zu betreuen. Als Fernfahrer nicht selbstverständlich. Auch stand ich vor der großen Herausforderung: Nehme ich einen neuen Job an, von dem ich nicht richtig überzeugt bin, dafür aber Emma mitnehmen darf. Oder nehme ich den Job an, der mich glücklich macht, bei dem ich aber eine andere Lösung für Emma finden muss. Ich entschied mich für letzteres. Die rumänische Wundertüte wollte in dieser Zeit nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Sie schlief überwiegend und war froh über Ruhe. So konnte ich sie auch mal alleine lassen, während ich im Büro war.

… dann kam Corona

Die Jahre vergingen. Ein neuer Partner trat in unser Leben. Ich war im neuen Job und im Sport aufgeblüht. Emma hatte sich großartig entwickelt. Wir wussten nichts über ihre Vergangenheit. Was wir sahen, war, dass andere Hunde für sie von keinem großen Interesse waren. Umso schöner war zu sehen, dass sie von Jahr zu Jahr ihre eigene „komische Art zum Spielen“ entwickelte. Um Zeit mit Emma zu verbringen, war Corona ein Glücksfall. Ich durfte dauerhaft im Homeoffice bleiben. Jedoch setzte mir Corona dennoch negativ zu. Denn eine wichtige Konstante – der Sport – war komplett weggefallen. Zusammen mit zunehmender Unzufriedenheit im Job verfiel ich in ein tiefes Loch: hallo Depression, lang haben wir uns nicht mehr gesehen. Auch hier war Emma mein Fels in der Brandung. Der Leitsatz war: Du übernimmst die Verantwortung für ein Lebewesen. Da ist es herzlich egal, wie es dir geht: Der Hund muss fressen, Aufmerksamkeit bekommen und raus!

Emma wird alt… man möchte es nicht wahrhaben.

Seit dem Sommer 2020 mussten wir uns immer mehr damit auseinandersetzen, dass Emma älter wurde. Die Hitze setzte ihr zu. Ihre Hüfte wurde instabiler. Die Augen trüb. Und taub wurde sie. Wir wollten es nicht wahrhaben. Sie ist doch erst acht Jahre alt! Wie oft waren die kurzen Gassirunden frustrierend, weil alles ewig gedauert hat, man für einen Kilometer gefühlt eine Stunde gebraucht hat, die richtigen Wiesen und Wälder weiter entfernt waren und man immer mit dem Auto hinfahren musste, um Emma gerecht zu werden.

... und dann ging alles ganz schnell

Emma baute immer mehr ab, sie wollte nicht mehr richtig fressen und hatte Probleme mit heftigem Durchfall und Erbrechen. Im September erholte sie sich schnell, im Oktober fing sie wieder an. Jetzt entschieden wir gemeinsam mit dem Tierarzt, dass wir ihr den Stress nicht mehr antun möchten. Mitte November wollte sie dann gar nichts mehr essen. Wir wussten, die Zeit war gekommen. Wollten ihr eigentlich noch ein paar schöne Tage bereiten. Mit allerlei Leckereien. Montag morgens hatte ich einen Termin für freitags beim Tierarzt vereinbart. Das war schon ein komisches Gefühl. Montag abends gingen wir zum Tierarzt und haben sie gehen lassen. Sie wollte nicht mehr und wir wollten sie nicht leiden lassen.

Ein Alltag ohne Hund? – Hier kommt Peppi!

In den Zeiten mit Emma hatten wir immer wieder das Bedürfnis nach einem Zweithund. Zum Wohle von Emma hatten wir uns aber dagegen entschieden. Durch mein Ehrenamt im Tierheim wurde uns öfters als kurzzeitige Pflegestelle angeboten. Dennoch merkte man schnell, dass Emma sich zurückzog, wenn ein anderer Hund da war und sich unwohl fühlte. Nachdem Emma nicht mehr da war, war alles still. Sollten wir uns schnell einen neuen Hund holen? Sollten wir uns Zeit lassen? Wann ist der richtige Zeitpunkt? Jeder verarbeitet Trauer anders. Ich bin am Tag nach dem Abschied ins Tierheim gegangen, habe mit den Hunden gekuschelt und Peppi kennengelernt. Ihre Besitzerin war verstorben und so kam sie ins Tierheim. Ein wunderbarer, freundlicher, verschmuster Hund. Eine Woche später zog sie bei uns ein – als Pflegehund. Weder mein Partner noch ich wollten uns direkt wieder verpflichten. Wollten uns langsam herantasten, ob wir bereit für einen neuen Hund sind. Schnell merkten wir: Wir fangen bei null an. All das, was wir die letzten sieben Jahre erlebt hatten, war egal. Anderer Hund, anderer Charakter. Peppi macht sich super bei uns. Sie liebt uns. Wir lieben sie. Auch der Gedanke, sie dauerhaft zu adoptieren ist da. Doch das Herz ist noch nicht so weit. Drei Wochen nach dem Abschied von unserer Emma sind wir emotional noch davon entfernt, uns dauerhaft an ein neues Lebewesen zu binden. Wir wollen Emma nicht ersetzen und vermissen sie. Wir genießen die Zeit mit Peppi sehr. Und dennoch: Eine Verpflichtung über mehrere Jahre sollte nicht vorschnell getroffen werden – zum Wohl aller.

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